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Weiterhin Ringen um die frei fließende Salzach – Salzachkundgebung 2022

Zum zehnten Mal veranstaltete der Bayerische Kanu-Verband am 17. September die Protestfahrt und Kundgebung „Für die Salzach als Naturfluss“. Etliche Wassersportler und Interessierte fanden auch dieses Jahr zusammen im Widerstand gegen die Verbauungspläne des letzten auf 60 Kilometer frei fließenden Alpenflusses in Deutschland.

Letztes Jahr noch sah es gut aus: Bei der Veranstaltung 2021 äußerten viele Redner die Hoffnung, dass die Pläne zur Querverbauung mit oder ohne Kraftwerksnutzung bald ad acta gelegt werden. Ein Gutachten war in der Entstehung, das prüfen sollte, ob das Fortschreiten der bestehenden Sohleintiefung der Salzach im Tittmoninger Becken und der drohender Durchbruch wirklich nur durch ein Querbauwerk aufgehalten werden kann. Und als im Herbst die Ergebnisse bekannt wurden, jubelten schon manche: Denn laut der Experten kann auch durch ein konsequentes Aufbrechen der künstlichen Uferverbauung die Eintiefung gestoppt werden – es ist keine Verbauung nötig.

Doch seither hat sich das Blatt wieder gewendet. Die Gaskrise hat dazu geführt, dass auch an der Salzach die Wasserkraft-Fantasien wieder aufflammen. Daher wurde die diesjährige Veranstaltung nicht zur Freudenfeier, sondern zum Ausdruck der weiter bestehenden Forderung, die Salzach als Naturraum zu schützen. Sie erfüllt in dieser Form einen wesentlich größeren Nutzen denn als Energieressource.

Das untermauerten auch alle Redner, die bei der aktuellen Kundgebung im Burghausener Stadtsaalgebäude zu Wort kamen. Zuvor waren die insgesamt etwa 40 Teilnehmer auf der Plätte sowie in Kajaks, Kanadiern und auf dem SUP in Tittmoning zur Demofahrt eingestiegen. Auch drei Schwimmer vom Burghauser Eisschwimmverein Serwus begleiteten den Tross auf der über 16 Kilometer langen Strecke. Die mehrfachen Weltmeisterinnen Birgit Bonauer, Julia Wittig und Dr. Ernest Hartl legten zu Beginn sogar ein solches Tempo vor, dass Plätte und Boote kaum hinterher kamen.

Wegen des regnerischen Wetters war die Kundgebung vom Stadtplatz in den Helmbrechtsaal verlegt worden, der sich erfreulich füllte. Die Trommlergruppe Impuls aus Altötting gab den Teilnehmern auch dieses Jahr ein rhythmisches Geleit dorthin.

Im Saal selbst bat dann Karin Fraundorfer, die unermüdliche Organisatorin auf Seiten des Bayerischen Kanu-Verbandes, zunächst den Schirmherren der Veranstaltung, Burghausens Bürgermeister Florian Schneider, ans Mikrofon. Dieser äußerte sich erfreut, dass trotz des kühlen Wetters erneut so viele bei der Protestfahrt dabei gewesen waren. Er betonte, dass die Stadt Burghausen sich nach wie vor gegen die Verbauungspläne stemmt – nicht, weil die Wasserkraft an sich keinen Sinn macht, sondern weil speziell an der Salzach der zu erwartende Energieertrag viel zu gering und der Schaden an der Natur viel zu hoch sei. Der Bügermeister verwies auf die ersten Erfolge, die die „No Regret“-Maßnahmen, also das Aufbrechen der Uferbebauung bereits zeigten, und auf das genannte Gutachten.

Dieser Einschätzung schloss sich Oliver Bungers, Präsident des Bayerischen Kanu-Verbandes, an. Er rief den Anwesenden zu, dass es eben noch nicht zu spät sei, um die Sohleintiefung an der Salzach ohne Querverbauung zu stoppen. Darüber hinaus machte er darauf aufmerksam, dass mit dem Schrumpfen der Gletscher auch die Pegel unter anderem in der Salzach immer geringer werden – die Wasserkraft also keine langfristige Lösung bietet. Er schloss mit einem Zitat aus einem Songtext von Herbert Grönemeyer: „Die Erde ist freundlich! Warum wir eigentlich nicht?

Der nächste Redner, Dr. Hannes Augustin, Landesgeschäftsführer des Naturschutzbund Salzburg und Sprecher der Aktionsgemeinschaft Lebensraum Salzach, betonte, wie kurzsichtig es ist, immer nur einzelne Flussabschnitte zu betrachten statt grenzüberschreitend die Gesamtheit des Gewässers. Auf Hochwasserereignisse und Vermurungen mit dem Bau von immer höheren Schutzwällen, auch in Naturschutzgebieten, zu reagieren, sei der falsche Weg. Und ebenso, das letzte bisschen Energie aus den Flüssen herauszupressen anstatt sie zum Teil der Lösung zu machen. Der richtige Weg sei, dem Fluss Raum zu geben.

Dr. Johannes Schnell, Leiter des Referats III (Fischerei, Gewässer- und Naturschutz) beim Landesfischereiverband Bayern, machte die Zuhörer darauf aufmerksam, dass einem bayerischen Fluss wie der Salzach eine ebenso wichtige kulturelle Bedeutung zukomme wie dem Oktoberfest, was zeitgleich eröffnet wurde – nur werde das von vielen übersehen. Stattdessen würden die aktuellen Sorgen um die Energieversorgung vorgeschoben, um die Wasserkraft immer noch weiter auszubauen. Dabei hätten jüngste wissenschaftliche Studien gezeigt, dass diese aus verschiedenen Gründen keinen Sinn macht. So schädigen zum Beispiel auch die als innovativ angepriesenen neuen Wasserkraftwerke den Fischbestand nachhaltig. Außerdem sei ,auch laut bayerischem Umweltministerium, das größte Zukunftsproblem die zunehmende Trockenheit. Schon diesen Sommer bestünden in Teilen Bayerns Verhältnisse wie im Libanon. Das heißt, dass die Wasserkraft auf lange Sicht immer weniger Sinn macht. Die Trockenheit gefährdet auch das Leben im Fluss, vor allem in den nicht frei fließenden Flüssen. Gewässer mit natürlicher Morphologie weisen eine wesentlich höhere Resilienz auf. Auch ihre Sozialfunktion als Erholungsort für die Bevölkerung können die Flüsse nur in diesem Zustand erfüllen – ein ganz wichtiger Beitrag zur Lebensqualität und Attraktivität eines Standorts. Johannes Schnell sprach deshalb einen Wunsch aus: Nächstes Jahr sollten sich die großen Arbeitgeber der Region an der Kundgebung beteiligen und ein Banner tragen: „BASF – Bin Auch Salzach Freund“.

Sabine Pröls, Geschäftsstellenleitung des Landesbundes für Vogelschutz Inn-Salzach, machte klar, dass der LBV sich auf jeden Fall weiterhin gegen einen Kraftwerksbau zur Wehr setzen wird und falls nötig auch gerichtlich dagegen vorgehen wird. Die vielen anderen Krisen der Zeit hätten zwar das Artensterben aus dem Licht der Öffentlichkeit verdrängt, doch verschwunden sei es damit nicht – im Gegenteil. Noch bieten die wenigen frei fließenden Alpenflüsse wie die Salzach bedrohten Arten einen Rückzugsraum. Entfällt auch dieser, sind viele Tier- und Pflanzenarten den Entwicklungen schutzlos ausgesetzt. Deshalb fordert der LBV: Kein Kraftwerk an der Salzach, stattdessen die Renaturierung vorantreiben, um die Verbindung zwischen Fluss und Auen wieder zu schaffen.

Beate Rutkowski, stellvertretende Landesvorsitzende des Bund Naturschutz, warf Minister Glauber glatten Wortbruch vor. Noch letztes Jahr habe er gesagt: Wenn das Gutachten zeigt, dass keine Querverbauung nötig sei, werde auch keines kommen. Nun sagt das Gutachten, dass keine Querverbauung nötig ist – und dennoch wird ein Kraftwerk geplant. Dabei ließe sich der Stromertrag aus einem Salzach-Kraftwerk durch den Bau von nur ein bis zwei Windrädern ersetzen. So aber werden unter anderem auch gesetzliche Vorgaben von Natura 2000 und WRRL einfach missachtet. Und alle positiven Effekte, die das Aufbrechen der Ufer jetzt schon zeitigen, würden durch eine Querverbauung wieder zunichte gemacht. Wenn man darüber hinaus bedenkt, dass zum Beispiel aufgestautes Wasser viel mehr CO2 emittiert als fließendes, dass intakte Auen dagegen CO2 speichern oder dass jede Aufstauung mit hohem Wasserverlust durch Verdunstung verbunden ist, dann sage doch der gesunde Menschenverstand, dass Wasserkraft mehr Schaden als Nutzen bringt. Tatsächlich nützt nur die Aufweitung der Ufer der Tier- und Pflanzenwelt und dem Klima, hilft gegen Überschwemmungen und macht die Region resistenter gegen Trockenheit. Beate Rutkowski äußerte Freude, dass die parteienübergreifende Unterstützung für diese Einschätzung des BUND wächst. Sie sei daher optimistisch, dass alle zusammen am Ende der Vernunft Vorrang gegeben und der Salzach zu ihrem Schutz verholfen wird.

Als letzter Redner machte Pascal Rösler, Vertreter des Vereins Pure Water for Generations, darauf aufmerksam, dass Veränderung bei jedem selbst anfangen muss. Seiner Aussage nach ist ein deutlich größeres Bewusstsein in der Bevölkerung nötig, wie wertvoll intakte Flüsse sind, wie wertvoll sauberes Wasser ist.

Mit großem Applaus für alle Redner endete diese gelungene Salzach-Kundgebung. Doch es bleibt zu befürchten, dass es nicht die letzte ihrer Art bleiben kann, da das Ringen um die frei fließende Salzach noch nicht zu Ende ist.

Petra Münzel-Kaiser

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