Ein Dschungel – wild und schön
Die Aue ist an großen Flüssen mehrere Kilometer breit. Bei Hochwasser zeigt sich die ganze Breite. Fluss und Aue werden eins, alte Flussarme zu reißenden Strömen. Nass und trocken – Extreme auf engstem Raum. Wo das Wasser lange hoch steht, ist die Silberweide (Weichholzaue) konkurrenzlos. Sie kann bis zu 300 Tage im Wasser stehen. Nach Hochwasser keimt sie mit anderen Pionierarten auf dem trocken fallenden Rohboden. Hochwasser verjüngt die Aue. Hartholzauwälder sind die struktur- und baumartenreichsten Wälder Mitteleuropas: knorrige Eichen, mächtige alte Ulmen und Eschen, darunter Traubenkirschen. Alte Bäume und Totholz bieten Spechten und Fledermäusen Höhlen. Lianen verweben Sträucher zu einer undurchdringlichen Wildnis. Der Auwald ist Heimat von Wilder Weinrebe und Hopfen, somit Ursprung von Wein und Bierwürze! Besonders beeindruckend und weltweit einmalig ist der Reichtum der Hartholzaue an Frühjahrsblühern: Der Märzenbecher eröffnet den bunten Blütenreigen, der Blaustern verwandelt die Auen in ein blaues Blütenmeer.
Vielfalt vom Fluss gestaltet, dynamisch und immer im Wandel
Die faszinierende Vielfalt der Auen entwickelt sich nur, wenn sich die Wasserstände (Hydrodynamik) und die Standorte (Morphodynamik) der Aue mit dem Fluss ständig verändern. Das einzig Beständige ist der vom Fluss bestimmte Wandel: der »Herzschlag der Aue«. Die Arten der Aue sind an diese extremen Wechsel angepasst und brauchen sie, um nicht von aueuntypischen Arten verdrängt zu werden. Für dieses ständige Vergehen und Neu-Entstehen brauchen Auen und ihre Bewohner genügend Raum und einen frei fließenden Fluss.
Bei Hochwasser durchflutet der Fluss die Aue, das Grundwasser steigt. Bei Niedrigwasser fällt die Aue wieder trocken: Die Aue »atmet«. Solche »Wechselwasserstandorte« kommen nur in Auen mit intakter Flussdynamik vor. Besonders die zahlreichen Gewässer und Flutrinnen mit ihren Rohböden, Flutrasen, Röhrichten, Silberweidenauen und natürlichen Auenwiesen der großen Ströme sind davon geprägt. Pionierarten oder junge Silberweiden sind Kinder des Hochwassers. Das Blaukehlchen findet hier ideale Nahrungsräume.
In den Auen der Alpenflüsse lagert das Hochwasser sehr viel »Geschiebe«, d.h. Gestein aus den Alpen ab. Sie werden von zahlreichen Flussarmen ständig umgelagert und haben breite Kiesflächen mit kiesigen Pionierstandorten, orchideenreichen Magerrasen (Heiden, »Brennen«), Grauerlen Auwäldern und lichten Kiefernwäldern. Arten wie die Blauflügelige Ödlandschrecke brauchen diese natürlichen Offenflächen. Nur wenn der Fluss bei Hochwasser immer wieder neues Geschiebe umlagert, bleibt die ganze Vielfalt von der lückig bis zur dicht bewachsenen Kiesbank mit ihren jeweils spezialisierten Bewohnern erhalten.
Breitwasser statt Hochwasser
Auenschutz ist der billigste und natürlichste Hochwasserschutz.
Siedlungen und Gewerbegebiete, die in Auen gebaut wurden, sind Fehlplanungen und durch Hochwasser besonders gefährdet. Breitet sich Hochwasser dagegen in breiten unbebauten Auen natürlich aus, gibt es weniger Schäden. Die Hochwasserwelle wird niedriger und langsamer: Breitwasser statt Hochwasser. Neue Auen tun Not. Werden Deiche vom Fluss entfernt und Fließgewässer befreit, ist das effektiver Hochwasserschutz, der an den Ursachen der Hochwasserprobleme ansetzt. Technisch gesteuerter Rückhalt von Extremhochwasser (»Stau-Polder«) bekämpft dagegen nur lokal die Symptome und birgt Probleme der Fehl-Steuerung und Schädigung der Polderfläche. Höhere Deiche erhöhen die Hochwassergefahr für die Unterlieger und bieten eine trügerische Sicherheit, denn: jeder Deich kann brechen. Der monetäre Wert des Auwaldes allein für den Hochwasserschutz wird auf bis zu 20.000 €/ha geschätzt (Bayerische Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft)
Der Erhalt und die Rückgewinnung von Auen hat hohen Zusatzwert für Hochwasser-, Grundwasser- und Klimaschutz. Er »rechnet sich« – mehr als technischer Hochwasserschutz! Zur Reaktivierung von Auen muss Allgemeinwohl vor Einzelinteressen gehen: Auen- und Hochwasserschutz brauchen Fläche. Nur so können staatliche Ziele für den Auenschutz endlich umgesetzt werden.
Vorgaben für den Auenschutz
Auenprogramm Bayern, Biodiversitätsstrategie Bayern, europäisches Netzwerk Natura 2000, Wasserrahmenrichtlinie, natürlicher Rückhalt im Hochwasserschutzprogramm Bayerns.